Warum dieser Faktencheck
Bundesweit wird die Schaffung von neuem, bedarfsgerechtem und bezahlbarem Wohnraum gefordert. So auch in Bochum – hier wird von der Notwendigkeit der Schaffung von 800 neuen Wohnungen pro Jahr gesprochen. Mit diesem Faktencheck möchte das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung darlegen, woher diese Zahl kommt, wie und auf welche Kosten diese Forderung umgesetzt werden soll und was in Bochum tatsächlich gebaut wird.
Aus dem Faktencheck leiten wir Forderungen an eine soziale, ökologische und zukunftsfähige Wohnungspolitik ab.
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Quellen
[1] Handlungskonzept Wohnen (Vorlage 20171993 der Stadt Bochum) [2] Allianz für Wohnen (Vorlage 20203102 der Stadt Bochum) [3] Thesen zur… weiterlesen
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1. Check: Handlungskonzept Wohnen
Seit der Veröffentlichung des Handlungskonzepts Wohnen im Jahr 2017 wird von der Stadtverwaltung und der Bochumer Politik wie ein Mantra mit den Worten zitiert „Bochum braucht 800 neue Wohnungen im Jahr“ … weiterlesen
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1.1 Gewinnung neuer Bürger aus den Nachbarkommunen als Strategie
Die Begründung für die Forderung nach 800 neuen Wohnungen pro Jahr findet man ab Seite 46 [1]. Für die Bevölkerungsentwicklung lag für Bochum 2016/2017 eine leicht rückläufige Prognose vor. Dem wollten die bei der Erstellung des Handlungskonzept Wohnen beteiligten Akteure entgegensteuern. Durch ein zusätzliches Wohnungsangebot sollen Zuzüge von Auszubildenden und Studierenden, jungen Beschäftigten, Familien und Senioren (Wachstumsvariante V2) – auch aus den Nachbarstädten (Wachstumsvariante V3) – generiert werden (siehe Anhang, Bild 1 und Bild 2). Im Folgenden wird dann berechnet, wie viele Wohnungen neu zu bauen wären, um diese Strategie aufgehen zu lassen. In einer Pressemitteilung vom 19.02.2020 [16] stellt… weiterlesen
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1.2 Sozialer Wohnungsbau
Die Stadt Bochum setzt sich mit dem Handlungskonzept Wohnen das Ziel, auf städtischen Flächen mindestens 30 % und auf nicht-städtischen Flächen mindestens 20 % Wohnraum aus Mitteln der Wohnraumförderung des Landes NRW zu entwickeln, 200 der erforderlichen‘ 800 neuen Wohneinheiten pro Jahr sollen im geförderten Wohnungsbau entstehen [1, S. 5]. Tatsächlich ist dieses Ziel bisher nicht erreicht worden. So wurden 2018 Fördermittel für 92 Wohnungen bewilligt, 2019 für 60 und 2020 für 136. Gleichzeitig ist die Zahl der Wohnungen, die wegen Rückzahlung der Darlehen aus der Sozialbindung fallen, bedeutend größer, so dass sich der Anteil der Sozialwohnungen am Gesamtbestand seit… weiterlesen
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1.3 Ziele und Leitlinien des Handlungskonzepts Wohnen
Für die Entwicklung des Bochumer Wohnungsmarktes setzt das Handlungskonzept Wohnen [1] elf wohnungspolitische Ziele und elf Leitlinien als Rahmen für Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. weiterlesen
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1.4 Koalitionsvertrag von SPD Bochum und Bündnis 90 / Die Grünen „Bochum – Perspektiven von hier“
Im Koalitionsvertrag der SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN [4. S. 18] wird die Evaluation des Handlungskonzepts Wohnen bis Ende 2022 angekündigt. ‚Die Evaluation ist schnellstmöglich anzugehen, so dass Ergebnisse spätestens 2022 vorliegen und eine Neuformulierung des gesamtstädtischen Ausbauziels unter Berücksichtigung. so dass Ergebnisse spätestens 2022 vorliegen und eine Neuformulierung des gesamtstädtischen Ausbauziels unter Berücksichtigung aktueller Studien zur Bevölkerungsentwicklung und zum Wohnungsbau vorgenommen werden kann. Bestehende Beschlüsse zum Handlungskonzept Wohnen behalten bis dahin Bestand.‘ Ende 2021/Anfang 2022 war abzusehen, dass das Ergebnis einer Evaluation verspätet vorliegen wird. Zu erwarten wäre, dass Entscheidungen über weitere Bauvorhaben – insbesondere solche, die… weiterlesen
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1.5 Allianz für Wohnen [2]
Das Handlungskonzept Wohnen [1] und das Ziel 11 „Gemeinsamer Prozess“ avisiert die Gründung einer „Allianz für Wohnen“ in Bochum. Diese neue „Allianz“ soll eine wichtige Rolle bei der Überarbeitung des kommunalen „Handlungskonzepts Wohnen“ spielen und die Ziele der Bochumer Wohnungspolitik der kommenden Jahre festlegen. Zur „Allianz für Wohnen“ lud die Stadt Bochum ab Anfang 2020 überproportional private Wohnungsfirmen und Investor*innen, Sozial- und Naturschutzverbände waren stark unterrepräsentiert. Dies führte zur Kritik durch den Mieterverein, der die einseitige Ausrichtung an den Interessen der Wohnungswirtschaft bei gleichzeitiger Vernachlässigung sozialer, ökologischer und klimapolitischer Ziele befürchtete. Das Netzwerk »Stadt für Alle« lud im Februar 2021… weiterlesen
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2. Check: Wohnbauflächenprogramm
Auf Grundlage des Handlungskonzepts Wohnen ist das Wohnbauflächenprogramm [5] auf den Weg gebracht worden. Hier werden 33 Flächen aufgeführt, auf denen gebaut werden kann. 50,4 % dieser Flächen sind reine Frei-/Grünflächen. 40,3 % dieser Flächen sind teils vorgenutzt, teils Freiflächen. Nur 9,3 % der Flächen sind vorgenutzte Flächen. Es wird weder Halt gemacht vor Regionalen Grünzügen noch vor Flächen mit Klimafunktion sowie vor Flächen mit Überschwemmungsrisiko. Das Wohnbauflächenprogramm hat bewirkt, dass sich zahlreiche Bürgerinitiativen in Bochum gegründet haben. Die Freiflächen, auf denen gebaut werden soll, sind hier aufgelistet; auf weiterführenden Seiten werden die Flächen genauer beschrieben. Die Stadt Bochum hat… weiterlesen
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2.1 Ökologische Wertigkeit der Flächen des Wohnbauflächenprogramms [5, Anlage 3]
Das Wohnbauflächenprogramm schlägt 33 Flächen auf insgesamt 104 ha für eine Bebauung vor. Davon sind 52,4 ha reine Frei- und Grünflächen, 46 ha sind Flächen mit Gehölzbestand. Die folgenden Tabellen geben einen Überblick der ökologischen Wertigkeit der Flächen des Wohnbauflächenprogramms: Fläche [ha] in % An-zahl Gesamtfläche 104,0 100,0 33 davon reine Freiflächen 52,4 50,4 20 davon teils Freifläche, teils vorgenutzt 41,9 40,3 9 davon vorgenuntzt 9,7 9,3 5 davon Regionaler Grünzug 4,6 4,4 2 davon regional bedeutsamer Freiraum 47,5 45,7 10 davon Landschaftsschutzgebiete 28,9 27,8 3 davon mit Klimafunktion 39,2 37,7 8 davon mit Gehölz 46,0 44,2 18 Quelle: [5,… weiterlesen
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2.2 Flächen, die gemäß Klimafunktionskarte [7] nicht bebaut werden sollten
Das Wohnbauflächenprogramm schlägt 104 ha für eine Bebauung vor. Davon sind 39,2 ha sind Flächen mit Klimafunktion und für 24,6 ha werden in der Klimafunktionskarte [7] Einstufungen vorgenommen. Im Handlungskonzept Klimaanpassung Fläche [ha] Fläche [%] Anzahl Gesamtfläche Wohnbauflächenprogramm 104,0 100,0 33 Im Handlungskonzept Klimaanpassung verzeichnet 24,6 23,7 9 Zone 1, Typ A 8,6 8,3 3 Zone 3 1,6 1,5 1 Zone 4, dunkelblau 1,3 1,3 1 Zone 4, hellblau 4,3 4,1 2 Zone 5 8,8 8,5 2 Quelle: [5, 7] Legende [7] Zone 1, Typ A Durchschnittliche Bevölkerungsdichte im Bereich der HitzeinselMaßnahmen: Zone 1, Typ B Hohe Bevölkerungsdichte im Bereich… weiterlesen
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3. Check: Bestandsentwicklung als Alternative
Das Schaffen zeitgemäßer Wohnungen durch Sanierung oder Vollsanierung im Bestand sieht das Handlungskonzept Wohnen unter ‚Aspekten der Wirtschaftlichkeit‘ nur bedingt erreichbar [1, S. 50]. Dem widersprechen Zahlen aus dem Bericht aus 2021 zum geförderten Wohnungsbau, die zeigen, dass Bestandsentwicklung sehr wohl aus finanziellen Aspekten attraktiv sein kann. Das Handlungskonzept Wohnen weist darauf hin, das der durch veränderte Wohnpräferenzen entstehende Bedarf an neuen Wohnungen zu fast 50 % durch Sanierung im Bestand (leerstandsbedrohten Wohnungen) gedeckt werden (siehe [1, S. 49]). Das Handlungskonzept Wohnen warnt u.a. davor, dass durch den zusätzlichen Neubau kurz- und mittelfristig mit einem Anstieg des Leerstands bei nicht… weiterlesen
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3.1 Schrottimmobilien und Leerstände
Als Alternative zum Neubau kann die Bereitstellung von Wohnraum auch durch Reaktivierung von derzeit ungenutztem Wohnraum erfolgen. Jede wiedergenutzte Wohnung hat für die Wohnraumversorgung der Bevölkerung den gleichen Wert wie eine neu gebaute und dazu noch den Vorteil einer wesentlich günstigeren Miete. Der Wohnungsleerstand wird in Bochum mit der Stromzählermethode ermittelt. Dabei geht man davon aus, dass eine Wohnung, deren Stromzähler über einen längeren Zeitraum einen deutlich unterdurchschnittlichen Verbrauch ermittelt, nicht genutzt wird. Den Verbrauch messen die Stadtwerke. Die so ermittelte Leerstandsquote beträgt in Bochum derzeit ca. 3,2 % [9]. Das ist in etwa die Höhe, die in der Wohnungswirtschaft… weiterlesen
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3.2 Rechtsmittel zur Wohnraumsicherung
Eine rechtliche Handhabe zur Reaktivierung von ungenutztem Wohnraum gäbe es durchaus. Denn das Grundgesetz kennt nicht nur die Garantierung des Eigentums, sondern auch dessen Sozialverpflichtung. Mit der Anwendung der daraus abgeleiteten Gesetze hat sich die Stadt Bochum jedoch immer schon sehr schwergetan. weiterlesen
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4. Check: Wohnraumbedarf
Mehr als die Hälfte der Bochumer Haushalte haben Anspruch auf eine Sozialwohnung. Von den ca. 198.000 Wohnungen sind aber weniger als 13.000 Sozialwohnungen [3]. Das Handlungskonzept Wohnen setzt das Ziel, dass 200 der 800 jährlich neu zu errichtenden Wohneinheiten im geförderten Wohnungsbau entstehen (s.o.) – es trägt somit konzeptionell nicht dazu bei, den Bedarf an Sozialwohnungen zu decken. Tatsächlich ist das Ziel von 200 neuen Sozialwohnungen pro Jahr nicht bedarfsgerecht und auch nicht erreicht worden, denn auf immer teurer werdenden Grundstücken kann kein günstiger Wohnraum entstehen. Aufgrund der hohen Grundstückpreise für freies Bauland kann auf Freiflächen kein günstiger Wohnraum entstehen.… weiterlesen
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5. Unsere Forderungen
Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung fordert: Erst wenn so der Wohnraumbedarf nicht gedeckt werden kann, werden zur Erstellung neuer Wohnungen Freiflächen herangezogen, wobei auf Flächen mit ökologischen Funktionen, mit Klimafunktion bzw. auf Flächen in Nachbarschaft bereits bestehender Hitzeinseln nachrangig zugegriffen wird. Bochum braucht ein kommunales Wohnungsunternehmen, das sich entsprechend den Prinzipien der früheren Wohnungsgemeinnützigkeit verhält, um am Wohnungsmarkt als Korrektiv zu den immer zahlreicheren börsennotierten oder anderweitig renditeorientierten Unternehmen zu dienen. Kommunale und genossenschaftliche Unternehmen sollten bei der Vergabe von Fördermitteln und Sonderkonditionen bevorzugt berücksichtigt werden. Last but not least kommt das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung auf seine zentrale Forderung… weiterlesen