Zweckentfremdungssatzung für Bochum sollte Chefsache werden!

Das war wahrlich keine gewöhnliche Ratssitzung am 01.02.2024, die mit Fragen des Netzwerks für bürgernahe Stadtentwicklung zur Verantwortung der Stadt für Leerstand und schlechten Zustand stadteigener Wohnungen sowie zu geplanten Abrissen weiterer stadteigener Häuser zugunsten einer gewerblichen Nutzung eröffnet wurde.
Zu Beginn gab es besondere Sicherheitsvorkehrungen.
Mit Schutzwesten ausgestatteten Männer vom Ordnungsamt sorgten am Zugang und auf der Besuchertribüne für einen einschüchternden Empfang. Die Ratsmitglieder waren bereits vorher schriftlich gewarnt worden, es könne im Umfeld der
Sitzung ggf. zu Protestbekundungen von Räumungsgegnern der Kohlenstraße 135 kommen. Oberbürgermeister Thomas Eiskirch eröffnete die Sitzung dementsprechend dann auch mit dem Hinweis an die außergewöhnlich gut besetzte Besuchertribüne, Applaus oder Missfallenskundgebungen seien nicht erlaubt.
Warum diese Hysterie? Alles nur, weil es auch um die neben dem Kulturhaus „Thealozzi“ letzten Häuser des in den 80er Jahren zunächst besetzten, für den Bau der Westtangente dann aber abgerissenen Heusnerviertels ging, und die
Zwangsräumung des letzten Mieters der Kohlenstraße 135 gerade erst auf den 05.03.2024 festgesetzt worden war?
Und wie verlief die Fragestunde?
Die Antworten von Stadtbaurat Dr. Markus Bradtke haben gleich wieder neue Fragen aufgeworfen.
Verwunderung erzeugte bereits die erste Antwort, die Stadt habe die Häuser Kohlenstraße 135 – 145 alle sukzessive erst von 2005 – 2007 erworben.

Nach Recherche des Netzwerks mag dies auf die Häuser 141 – 145 zutreffen. Warum wird die Stadt Bochum aber bereits im offiziellen Adressbuch der Stadt 1967 als Eigentümerin der Häuser 135 – 139 geführt? Im Grundbuch lässt sich das Eigentum der Stadt an der Kohlenstraße 135 – 139 trotz Umstellung der Grundblätter zur Fortführung auf EDV und weiterer Veränderungen zumindest bis 1994 zurückverfolgen. Dann gingen 30 Jahre Leerstand und Zustand der Häuser 137 – 139 sehr wohl auf das Konto der Stadt. Das Netzwerk bemüht sich um weitere Aufklärung.

Irritierend der Hinweis, die nach dem Krieg erbauten Kohlenstraßen-Häuser seinen mit der Errichtung bereits in einem sehr schlechten Zustand gewesen. Wie konnte der letzte Mieter in der Kohlenstraße 135 dann dort zwei Wohnungen ohne jede Unterstützung durch die Eigentümerin mit eigenen Mitteln bis heute in einem bewohnbaren Zustand halten?

Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt am 01.02.2024 in der Fragestunde des Bochumer Rats

Aufschlussreich der Hinweis, die Aufgabe der Wohnraumnutzung sei schon immer geplant gewesen, und man dürfe nicht wichtige stadtentwicklungspolitische Ziele wie gewerbliche Entwicklung = Arbeit mit dem wichtigen, auch grundrecht-
lich gesicherten Gut Wohnen vertauschen. Ist also gewerbliche Entwicklung grundsätzlich höher zu bewerten als die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum für Alle? Kann die Stadt Bochum Wohnraum jahrzehntelang leer stehen lassen
und sich jeder Instandhaltung entziehen, nur weil sie irgendwann ohnehin abreißen will? Heißt es im Grundgesetz nicht, Eigentum verpflichtet? Und wo entsteht eigentlich bezahlbarer Ersatzwohnraum?
Überraschend dann die Erklärung, das Verdachtsimmobilienkataster gelte nicht für stadteigene Häuser, da kenne man ja den Zustand. Diese würden nur nachrichtlich aufgenommen. Warum sind sie dann überhaupt aufgenommen wurden? Peinlich schließlich der Versuch, die Situation des letzten Mieters zu skandalisieren, um von dem eigentlichen Skandal des jahrzehntelangen Leerstands stadteigenen Wohnungsbestands abzulenken.
Leerstand, Verwahrlosung sowie geplanter Abriss stadteigener Häuser zugunsten einer späteren gewerblichen Nutzung veranlassten das Netzwerk zur Nachfrage, ob Bochum nicht eine Zweckentfremdungssatzung brauche.

Oberbürgermeister Thomas Eiskirch antwortete persönlich:
Die Verwaltung mache sich im Rahmen des Handlungskonzepts Wohnen, was ja relativ bald den Rat erreichen werde, genau über diese Frage Gedanken und werde dann einen Vorschlag unterbreiten, wenn es eine solche Satzung geben
sollte.
Angesichts des unrühmlichen Umgangs mit stadteigenem Wohnungsbestand an der Kohlenstraße sollte der Oberbürgermeister die Frage einer Zweckentfremdungssatzung für Bochum zur Chefsache machen!