3.2.2 Wohnraumstärkungsgesetz
Mit dem am 01.07.2021 in Kraft getretenen „Gesetz zur Stärkung des Wohnungswesens in Nordrhein-Westfalen“ (Wohnraumstärkungsgesetz – WohnStG) [15] ist das „Wohnungsaufsichtsgesetz“ (WAG NRW) ersetzt worden.
Mit dem neuen Gesetz sollen die Gemeinden in die Lage versetzt werden,
- gegen Problemimmobilien stärker präventiv einzuschreiten und gezielter gegen die Verwahrlosung von Wohnraum – Stichwort: Schrottimmobilien – vorzugehen,
- Gefährdungen, die sich aus der Wohnraumnutzung ergeben, effektiver zu unterbinden,
- gewisse Mindestanforderungen an die Unterbringung in Unterkünften durch Maßnahmen der Wohnungsaufsicht zu ermöglichen.
Das Gesetz enthält zudem umfassende Neuregelungen zur Zweckentfremdung von Wohnraum:
- Die Handlungsmöglichkeiten für Gemeinden, die sich selbst eine Zweckentfremdungssatzung gegeben haben oder noch geben, werden vereinheitlicht und erweitert.
- Kurzzeit-Vermietungen sind nur noch drei Monate im Jahr erlaubt.
- Um den zunehmenden Missbrauch von normalen Mietwohnungen als Ferienwohnungen einzudämmen, wird den Behörden die Kontrolle erleichtert. Es wird ein Verfahren zur Identifizierung der Anbieter von Wohnraum, der zum Zweck der Fremdenbeherbergung genutzt wird (sog. Wohnraum-Identitätsnummer), eingeführt.
Aber die Gemeinden müssen die gesetzlichen Möglichkeiten zur Wohnraumsicherung auch wahrnehmen.
Bereits nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz konnten die Gemeinden Zweckentfremdungssatzungen erlassen und hatten im Einzelfall nach „pflichtgemäßem Ermessen“ die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn bei Wohnraum Verwahrlosung vorlag oder ein Missstand bestand. Dies ist jedoch nur teilweise erfolgt.
Eine Satzung zum Schutz und Erhalt von Wohnraum im Gebiet der Stadt Bochum (Zweckentfremdungssatzung) [12] böte der Stadt Bochum die Möglichkeit, Maßnahmen einzuleiten, wenn Wohnraum dem Wohnzweck entzogen würde (z. B. bei Leerstand > 3 Monate, Umnutzung zu Gewerbezwecken oder als Ferienwohnung, Abriss). 2017 hatte Die Linke im Rat den Erlass einer solchen Satzung beantragt. Die Verwaltung hatte auch einen Entwurf erarbeitet, der die Zustimmung von 4 der 6 Bezirksvertretungen fand. Anders als die Grünen stimmte die SPD jedoch im Rat dagegen, so dass es keine Mehrheit gab.
In Bochum ist es also nicht verboten, Wohnraum leer stehen, vergammeln oder abreißen zu lassen. Das Handlungskonzept Wohnen setzt stattdessen einseitig auf Neubau.
Eine Zweckentfremdungssatzung für Bochum hat der Rat mit großer Mehrheit in der Sitzung im September 2017 abgelehnt. Dass die Verwaltung auch nur in einem Fall bei Verwahrlosung oder Vorliegen von Missständen eingeschritten wäre, ist zumindest nicht öffentlich geworden. Nach der Besetzung der Herner Straße 131 im Mai 2017 tauchte schnell die Frage auf, ob die Bochumer Verwaltung angesichts des Zustandes des Hauses nicht vorher gegen die Eigentümerin hätte einschreiten können. Aber dann hätte sie sicherlich auch erklären müssen, warum sie nicht gegen die Stadt Bochum als Eigentümerin der mittlerweile fast vollständig leerstehenden 4 Häuser an der Kohlenstraße 135 – 145 eingeschritten ist. Diese Häuser sind die letzten vom Abriss des Heusner-Viertels im November 1986 verschont gebliebenen Häuser. Den Bebauungsplan, der Grundlage für den Abriss war, hatte das OVG Münster bezüglich dieser Häuser als nichtig erklärt. Die Häuser hat die Stadt Bochum nach und nach erworben. Seit 2007 steht der gesamte Gebäudekomplex im Eigentum der Stadt und vermittelt nicht erst heute den Eindruck von Schrottimmobilien. Erst im Zusammenhang mit der Einziehung einer Teilfläche der „Kohlenstraße“ in diesem Bereich ist im August 2022 bekannt geworden, dass die Häuser aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht und zur Umsetzung der dortigen städtebaulichen Zielsetzung abgerissen werden sollen. Die Gebäudesubstanz sei nach mehr als 70 Jahren verbraucht, angepasst an die mittlerweile entstanden Umgebung werde auf eine gewerbliche Entwicklung abgezielt.
Aber jetzt gibt das Wohnraumstärkungsgesetz auch der Bochumer Verwaltung mehr Möglichkeiten, gerade gegen Missstände bei solchen Objekten einzuschreiten. Und das Tätigwerden steht auch nicht mehr nur im „pflichtgemäßen Ermessen“ der Verwaltung.
Nach dem neuen Gesetz „soll“ die Gemeinde einschreiten, wenn die Beschaffenheit von Wohnraum oder Unterkünften nicht den im Gesetz konkret benannten Mindestanforderungen an angemessene Wohnverhältnisse oder an eine Unterbringung in Unterkünften entspricht.
Und sie „soll“ anordnen, dass die oder der Verfügungsberechtigte die erforderlichen Maßnahmen nachholt, die unterblieben oder unzureichend ausgeführt worden sind.
Das Gesetz vereinfacht einerseits ein Einschreiten, weil die Voraussetzungen hierfür konkreter gefasst sind. Andererseits wird die Verwaltung durch das Gesetz aber auch angehalten, genauer hinzusehen. Ein Einschreiten steht nicht mehr nur – wie noch nach dem bisherigen Wohnungsaufsichtsgesetz – im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung. Der Verwaltung steht nur noch ein „begrenztes Ermessen“ bei der Entscheidung zu, ob sie einschreitet. Liegen die Voraussetzungen für ein Einschreiten vor, sieht das Gesetz als Regel vor, dass auch eingeschritten wird. Nur in Ausnahmefällen kann die Verwaltung noch davon absehen.