Widerstand muss sein – damals wie heute!

Dem Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung ist es im Rahmen seiner Reihe „Rückblick auf 40 Jahre Bürgerbeteiligung in Bochum“ gelungen, 35 Jahren nach dem Ende des Heusnerviertels Einblick in den jahrelangen Widerstand gegen die Westtangente zu gewinnen.

Möglich war dies, weil mit Heiko Koch ein ehemaliger Bewohner für die Veranstaltung im Thealozzi gewonnen werden konnte, der Unterlagen archiviert und immer wieder Berichte zu den Ereignissen im Viertel verfasst hat.

Sein Bericht zu Räumung und Abriss der letzten besetzten Häuser ist nun unter https://www.bo-alternativ.de/dokumente/Abbruch-des-Heusnerviertels.pdf veröffentlicht. Er macht deutlich: Heusnerviertel war mehr als nur Widerstand gegen die Westtangente. Und er belegt, wie Verwaltung und Polizei damals mit Recht und Gesetz umgegangen sind. Gerichte mussten feststellen, dass Maßnahmen von Verwaltung und Polizei bei Räumungen und Abrissen sowie bei den Abschlussprotesten am 22.11.1986 rechtswidrig waren. Und das Oberverwaltungsgericht Münster erklärte den Bebauungsplan für die Westtangente aus dem Jahre 1976 im Nachhinein für nichtig.

Heute stellen Gerichte die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Räumung des Hambacher Forstes, erneute Nichtigkeit eines Bebauungsplans für Datteln IV oder in Bochum eine rechtswidrige, weil an den zuständigen Gerichten vorbei erfolgte Abschiebung fest. 

Also alles wie immer?

Geändert haben sich sicherlich die Protestformen. Auch in Bochum gibt es keine Hausbesetzungen mehr. Die letzte war 2017 in der Herner Straße 131. Dabei ist die alte Forderung „Erhaltet preiswerten Wohnraum“ weiter aktuell. In der Vogelsiedlung und in der Blankensteiner Straße droht der Abriss von leerstehenden Wohnungen aus dem Bestand der VBW, die mit 80 Prozent der Anteile weitgehend in kommunaler Hand ist. Hochpreisiger Neubau auf der grünen Wiese kann diesen Wohnraum nicht ersetzen. Und die Häuser Kohlenstraße 135 – 145, neben dem Thealozzi letzte Zeugen eines ehemals besetzten Heusnerviertels dürften schon länger unter „Schrottimmobilien“ und damit in die Zuständigkeit der Wohnungsaufsicht fallen. Dabei sind diese Häuser Eigentum der Stadt Bochum.

Geändert haben sich zudem die politischen Machtverhältnisse. Die Bochumer SPD konnte in den achtziger Jahren mit ihrer absoluten Mehrheit im Stadtrat noch jedes Vorhaben durchsetzen – und hat dies auch getan. Die Grünen waren gerade erst mit zwei Bewohnerinnen aus dem Viertel in Rat bzw. Bezirksvertretung eingezogen. Aus der Opposition wandten sie sich damals nicht nur gegen den Bau der Westtangente.

Seit 1999 muss die SPD ihren grünen Koalitionspartner nun mitnehmen. Und das gelingt ihr anscheinend ganz gut, schaut man sich die gemeinsam gefassten Beschlüsse zum Wohnbauflächenprogramm, zu den dadurch angeschobenen Bauvorhaben sowie bei der unzureichenden Umsetzung des ausgerufenen Klimanotstands bis hin zu der Verweigerung eines KlimaChecks in der Bauleitplanung an.

Aber gerade deshalb muss Widerstand sein!

Ist Initiativenarbeit auch mühselig, so sind doch erste kleine Erfolge sichtbar: In Wattenscheid und Gerthe wurden Betroffene in Empfehlungsgremien beteiligt. Fragen zur Bebauungsdichte werden aufgegriffen. In kommunalen Gremien wird auf Druck aus der Bürgerschaft Beratungsbedarf angemeldet – und aus Bezirksvertretungen erfolgen sogar Aufrufe an die Bürgerschaft: Im Bezirk Ost wird zur Gründung einer Initiative gegen die Schließung eines Freibades, im Bezirk Nord zur Klage gegen eine Gewerbeansiedlung aufgerufen.