Wer sich in Wattenscheid nach dem Ratsbeschluss vom März 2020, mit dem das Empfehlungsgremium für das Planverfahren „Neues Bahnhofsquartier Wattenscheid““ um 5 Plätze aus der Bürgerschaft erweitert wurde, schon auf dem Weg zu einer konstruktiven Bürgerbeteiligung sah, sieht sich angesichts der öffentlichen Vorstellung der ersten städtebaulichen Entwürfe nun eines Besseren belehrt.
Zwar wird es am 23.06. 2020 in der Jahrhunderthalle noch eine zusätzliche Präsentation und Erläuterung der Entwürfe durch die Planungsteams geben.
Seit der Informationsveranstaltung im März hat es bis heute aber keine weitere öffentliche Präsenz-Aussprache oder zumindest Online-Erörterung zur Aufarbeitung der damals mit der Bürgerschaft erarbeiteten Ergebnisse, geschweige denn sonstige Beteiligungsformate oder zumindest kontinuierliche Informationen über den jeweiligen Stand der Planungen gegeben. Die Planungsteams haben die Zeit vielmehr genutzt, um die nun vorgestellten ersten städtebaulichen Entwürfe zu erarbeiten. Hierzu darf sich die betroffene Bürgerschaft nun äußern.
Was ist das aber gegenüber den Formaten, die im Rahmenplanverfahren „Gerthe-West“ versucht werden, um dort – wenn auch spät – einen Bürgerdialog einzuleiten?
In Gerthe haben die Planungsteams bis heute die Arbeit noch nicht aufgenommen.
Dort soll nach Schlüsselpersonengesprächen im Januar 2020 zunächst eine öffentliche Auftaktwerkstatt mit der Bürgerschaft durchgeführt werden. Zeitgleich sollen die Planungsteams und das Begleitgremium vorgestellt und eine interaktive Online-Beteiligung gestartet werden. Die ausgewerteten und dokumentierten Beteiligungsergebnisse sollen für die Planungsteams eine inhaltliche Orientierung bilden.
Erste städtebauliche Ideenskizzen sollen die Planungsteams in Gerthe dann mit der Bürgerschaft gemeinsam in einer 1. öffentlichen Planungswerkstatt entwickeln.
In einer 2. öffentlichen Planungswerkstatt sollen die von den Planungsteams erstellten Zwischenergebnisse nochmals mit der Bürgerschaft gemeinsam überarbeitet werden.
Bis zur öffentlichen Abschlussdebatte sollen öffentliche Diskussionen, Planungsrundgänge, gemeinsame Ideenentwicklung und Ergebnisdebatten sowie zusätzliche Feedbackformate den Planungsprozess Gerthe begleiten.
Anders der Beteiligungsprozess in Wattenscheid:
Hier hat öffentliche Beteiligung nach der Veranstaltung im März erst wieder mit der derzeitigen Präsentation und Erläuterung der ersten Entwürfe nebst der Möglichkeit zu Fragen und Anregungen eingesetzt.
Die Planungsteams arbeiten noch bis August weiter an den Plänen. Über die Pläne soll die Öffentlichkeit nach Fertigstellung dann erneut informiert werden.
Im Vergleich zu dem Beteiligungsprozess in Gerthe-West bleibt für Wattenscheid damit weiterhin nur Bürgerbeteiligung 2er Klasse.
Da hilft es auch wenig, wenn nach dem Ratsbeschluss aus März 2020 nun neben vier weiteren Bürger*innen auch ein Mitglied der Initiative „Westenfelder Felder“ in der Empfehlungskommission sitzt, die sich am 22.06.2020 im Ratssaal Wattenscheid zu einem nichtöffentlichen „Zwischenkolloquium“ trifft, um die Entwürfe kennenzulernen und zu diskutieren.
Auch ein Verweis auf zum Gesundheitsschutz erforderliche Einschränkungen in Corona-Zeiten kann die unzureichende Beteiligung nicht begründen, wie das aktuelle Vorgehen in Gerthe zeigt:
Hier treffen sich Stadtverwaltung, Moderationsbüro und NRW.Urban (als Treuhänder der Stadt Bochum) am 25.06.2020 mit den örtlichen Initiativen und dem Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung, um sich zunächst über einen neuen „Fahrplan“ für den Planungs- und Beteiligungsprozess „Gerthe-West“ auszutauschen.
Dies hätte sich die Wattenscheider Bürgerschaft auch gewünscht. Da kann den Betroffenen dann auch nicht verübelt werden, wenn sie die für Wattenscheid vorgesehene Beteiligung nur als Alibiveranstaltung empfinden.
Erklärt der Oberbürgermeister anlässlich der zeitgleich erfolgten Vorstellung der Entwürfe für die Neugestaltung des Husemannplatzes dann noch, auch unter Corona-Bedingungen „wollen wir die Projekte voranbringen, aber auf Bürgerbeteiligung nicht verzichten“, vermag dies sicherlich nicht zur Beruhigung in der Wattenscheider Bürgerschaft beizutragen.
Da bleibt nur, den Unmut über die unzureichende Beteiligung im Empfehlungsgremium unmissverständlich zu äußern.