Lokalnachrichten Radio Bochum am 05.03.2024, 06.00 Uhr:
„Die A 448 ist zwischen den Anschlussstellen Bochum-West und Bochum-Eppendorf ebenso wie die Kohlenstraße zwischen Essener Straße und Hüttenstraße zurzeit gesperrt. Umgehungen des Sperrbezirks über Allee- und Essener Straße sowie über die Hattinger Straße sind ausgeschildert. Es werden Proteste gegen die Zwangsräumung einer Wohnung in der Kohlenstraße 135, eines der letzten Häuser des in den 80er Jahren zunächst besetzten, für den Bau der Westtangente dann aber abgerissenen Heusnerviertels erwartet. Da morgen noch eine weitere Wohnung geräumt werden soll, ist ein Ende der Sperrung noch nicht absehbar. Die Polizei bittet die Betroffenen um Verständnis …“
So oder ähnlich könnte die Meldung am Tag der Zwangsräumung des letzten Mieters der Kohlenstraße 135 lauten, wenn Polizei und Stadt Bochum ihren bis-her eingeschlagenen Kurs beibehalten.
Vor der Ratssitzung am 01.02.2024, in der die Zwangsräumung Thema war, wurden Zuhörer*innen nicht nur von mit Schutzwesten ausgestatteten Ordnungsamtskräften empfangen, es wurden auch Rücksäcke kontrolliert. Es könne im Umfeld der Sitzung ggf. zu Protestbekundungen von Räumungsgegner*innen der Kohlenstraße 135 kommen – so war es den Ratsmitgliedern vorher schriftlich mitgeteilt worden. Alles nur, weil es um die neben dem Kulturhaus „Thealozzi“ letzten Häuser des ehemaligen Heusnerviertels geht, dessen Abriss damals tatsächlich von starken Protesten begleitet war?
Diese Hysterie im Vorfeld der Zwangsräumung hat offensichtlich auch die Bochumer Polizei ergriffen!
Sie hat die Kohlenstraßenhäuser offenbar nicht nur seit Wochen im Visier, sie zeigt dort auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit Präsenz. Eine von der Stadt dem Mieter zur freiwilligen Räumung gesetzte Frist war Anfang Dezember 2023 kaum abgelaufen, als zwei Beamte dem gerade nicht anwesenden Mieter bereits einen ersten Besuch abstatten wollten. Wollten sie nur nachschauen, ob der Mie-ter doch ausgezogen war? Oder wollten sie feststellen, ob Besuch im Haus war?
Besucher*innen des Mieters hatten den Eindruck, dass die Polizei über jede Bewegung im Umfeld des Hauses informiert war. Auch der vor dem Haus endende Sonntagsspaziergang wurde von Polizeikräften verabschiedet. Allabendlich wird rund um die Häuser nachgeschaut, ob alles noch seine Ordnung hat. Kontrolliert wird jeder und jede, die den Häusern zu nahe kommt.
Auch eine 91jährige Teilnehmerin am Sonntagsspaziergang musste eine Personenfeststellung über sich ergehen lassen, als sie den Mieter am nächsten Tag besuchen wollte, diesen aber nicht antraf. Als sie sich nach zweimaligem vergeblichem Klingeln umdrehte, sah sie sich gleich drei Polizeikräften gegenüber. Bei wem sie geklingelt habe? Warum sie den Mieter besuchen wolle? Ob sie ihn nochmal besuchen wolle? Die Befragung gipfelte in einer Überprüfung ihres Personalausweises. Ob die Besucherin polizeilich als potentielle Besetzerin eingestuft worden war? Wo die Polizeikräfte so schnell herkamen, blieb für die Besucherin ein Rätsel. Ein Fahrzeug hat sie nicht wahrgenommen.
Welche Gefahrenlage sieht die Polizei, dass sie solch eine Personenkontrolle für zulässig hält? Warum nur diese Hysterie? Oder soll der 73jährige Mieter durch solche Maßnahmen nur eingeschüchtert werden?
Angesichts des bisherigen polizeilichen Vorgehens werden schnell Erinnerungen an Polizeiaktionen gegen das ehemals besetzte Heusnerviertel wach.
Dort wurde in der Nacht schon mal über Lautsprecher das Absitzen einer Hundertschaft befohlen – ohne dass eine solche vor Ort war. Oder es gab Provokationen durch als Vermesser verkleidete Polizisten. Ganze Demonstrationen wurden gerne auch im „Wanderkessel“ – einer Bochumer Spezialität – von der City zurück ins Heusnerviertel verbracht.
Das Netzwerk ist gespannt, ob das oben für den Räumungstermin entworfene Szenario so oder ähnlich eintreten wird. Abwegig erscheint dies angesichts der bisher an den Tag gelegten Hysterie nicht.
Das Netzwerk hofft aber, dass trotz alledem die Zwangsräumung nicht aus dem Ruder läuft und für alle Beteiligten schadlos abgeht. Die in der Lokalpresse wiedergegebene Erklärung des Mieters, die Wohnung sei sein Zuhause, das werde er nicht lebend verlassen, sollten Stadt und Polizei Sorge genug sein, alle möglichen Folgen einer Zwangsräumung mit Fachleuten nochmals zu überdenken. Hysterie hilft hier nicht!