Laut Pressemitteilung will die Stadt Bochum mit dem Investor die Pläne für die Bebauung der ehemaligen Bahnflächen in Günnigfeld in einer öffentlichen Veranstaltung am 07.06.2022 um 17.30 Uhr im Rathaus Wattenscheid vorstellen. Interessierte erhalten Informationen zu der Planung, können sich im persönlichen Gespräch mit dem externen Planungsbüro und der Fachverwaltung austauschen, Anregungen einbringen und Stellungnahmen abgeben.
Frühzeitige Beteiligung der Bürgerschaft noch vor Einleitung des Planverfahrens als erster Schritt zu echter Bürgerbeteiligung? Leider nicht!
Die Bekanntmachung im Amtsblatt vom 30.05.2022 stellt klar, dass die Veranstaltung im späteren Bebauungsplanverfahren als frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem Baugesetzbuch (BauGB) gewertet werden soll. Die „Bebauungsplanauskunft“ auf der Website der Stadt Bochum weist die Veranstaltung sogar als „Bürgerversammlung“ aus. Eine solche ist sie aber mit Sicherheit nicht!
Vor Covid-19 gehörten „Bürgerversammlungen“ nach den im Februar 1990 vom Rat in Erfüllung einer Verpflichtung aus der Bochumer Hauptsatzung beschlossenen Beteiligungs-Richtlinien zum Standard in der formellen Beteiligung in der Bauleitplanung. Sie haben davon gelebt, dass sich Bürger*innen im Plenum untereinander und aus dem Plenum mit Verwaltung und manchmal auch externen Fachleuten ausgetauscht haben. In Wattenscheid soll es nun bei persönlichen Einzel-Gesprächen mit dem externen Planungsbüro und der Verwaltung bleiben. Wie erfahren die an Gesprächen Teilnehmenden von den Gesprächen anderer? Werden über die Einzelgespräche Protokolle erstellt, wie sie bei Bürgerversammlungen üblich waren? Hierzu findet sich in den oben aufgeführten Verlautbarungen der Stadt Bochum nichts.
In den Corona-Hochphasen sollten solche beteiligungsferne Info-Messen bereits als Ersatz für die in Bochum vorgesehenen Bürgerversammlungen herhalten – so in den Bebauungsplanverfahren Charlottenstraße und Schlossstraße. Im März 2021 hat der Rat die Verpflichtung zum Erlass von Beteiligungs-Richtlinien in der Hauptsatzung dann auch noch ersatzlos gestrichen. Die alten Richtlinien sind aber wohl bis heute nicht ausdrücklich aufgehoben. Dennoch hat die Verwaltung nunmehr offenbar freie Hand bei der Auswahl des jeweiligen Beteiligungsformats.
Mittlerweile können Bürgerversammlungen im herkömmlichen Sinne wieder durchgeführt werden – so geschehen zum Bauvorhaben „Hinter der Kiste“. Nur zwei Tage nach der Info-Messe in Wattenscheid wird eine Bürgerversammlung zur „Dietrich-Benking-Straße“ in Gerthe stattfinden. Warum dann nicht auch in Wattenscheid?
Aber vielleicht soll durch eine Beschränkung der Austauschmöglichkeiten auch nur ein gemeinsames Auftreten der Kleingärtner*innen erschwert werden die dem Bauvorhaben weichen sollen.
Die Verwaltung hat in ihrer Vorlage für die Sitzung des Planungsausschusses im November 2019 noch ganz bürgernah angekündigt, den 14 Pächter*innen der auf Flächen der Deutschen Bahn gelegenen Kleingärten würden Ausgleichszahlungen geleistet und im Vorfeld sollten auf Wunsch Ersatzangebote in räumlicher Nähe zum derzeitigen Standort gesucht werden. Die Deutsche Bahn hat aber die Grundstücke 2021 an den Investor verkauft. Wer erbringt jetzt Ausgleichszahlungen und wer kümmert sich um Ersatzflächen? Gibt es hierzu eine Regelung im Kaufvertrag?
Nehmen Verwaltung und Investor etwa an, dies lasse sich in Einzelgesprächen mit den Betroffenen leichter klären als im Plenum einer Bürgerversammlung?