Seit der letzten Ratssitzung ist ein Streit darüber entstanden, ob die Stadt Bochum „ihre Bürger*innen beim Radschnellweg Ruhr hinters Licht geführt hat“. Wer in der Ratssitzung war oder diese im Rats-TV verfolgt hat, dürfte überrascht gewesen sein, wie emotional zum Ende des öffentlichen Teils noch debattiert wurde. Der Vorwurf der Fraktion „Die Partei & Stadtgestalter“, die Verwaltung habe die im Juni/Juli 2020 durchgeführte großangelegte Bürgerbeteiligung zu einer großen Trassensuch-Show degradiert, indem sie danach eine bereits vorher ausgearbeitete Trassenführung aus der Schublade gezogen habe, traf den Nerv von Verwaltung und rot/grüner Koalition.
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch musste sofort seine Fürsorgepflicht gegenüber den Verwaltungskolleg*innen wahrnehmen. Die Grünen versuchten, der Verwaltung zur Seite zu springen, indem sie den Stadtgestaltern ihrerseits reinen Klamauk im Rats-TV unterstellten.
Aber die Stadtgestalter legten nach, indem sie eine erweiterte Kritik öffentlich machten. Die Lokalpresse griff den Vorwurf auf und wies darauf hin, dass in Bochum nicht nur beim RS1 die Vorstellungen davon, was Bürgerbeteiligung ist, in Bürgerschaft und Verwaltung doch sehr weit auseinander liegen.
Die Grünen sahen sich veranlasst, mit einer eigenen Pressemitteilung den Schulterschluss mit der Verwaltung zu vollziehen und die Verwaltung für ihre gute Arbeit zu loben. Das Netzwerk hat sich bereits früh daran gewöhnt, dass auch Kritik aus der Bürgerschaft am Verwaltungshandeln bei Rot/Grün offenbar den Reflex auslöst, der Verwaltung zur Seite zu springen. Eine solche Hilfestellung kann dann von mit den Gepflogenheiten im Bochumer Rat nicht so Vertrauten auch schon mal als „Bürgerbeschimpfung“ empfunden werden.
Mittlerweile hat Klaus Kuliga, als Fachmann für Fragen zum Radverkehr ausgewiesener ehemaliger ADFC-Vorsitzender und zurzeit in der Radwende aktiv, die Kritik bestätigt, die Stadt habe ihre Bürger*innen beim Radschnellweg Ruhr hinters Licht geführt.
Sowohl Stadtgestalter als auch Grüne berufen sich für ihre jeweilige Wertung der Bürgerbeteiligung im RS1-Verfahren auf eine von ihnen durchgeführte Akteneinsicht. Beide müssen also neben dem im Ratsinformationssystem einsehbaren Gutachten der BERNARD Gruppe ZT GmbH weitere Unterlagen, Schriftwechsel u.s.w. eingesehen haben.
Das Netzwerk fordert die Verwaltung deshalb auf, die Akten vollständig öffentlich zu machen.
Die Verwaltung täte gut daran, umgehend Transparenz zu schaffen. Wenn an einer Bürgerbeteiligung Teilnehmende 336 Trassenvarianten, 781 Problemstellen sowie 373 Ideen für den RS1 und 691 zum Fahrradfahren „stressige“ bzw. „entspannte“ Bereiche in eine Online-Karte eingetragen haben, müssen sie Klarheit darüber verlangen können, ob diese Beteiligung von vornherein keinerlei Bedeutung hatte, weil die Trasse bereits vorher feststand.