Die Bilanz des Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung zum Jahreswechsel 2020/2021 endete mit der Feststellung, dass Politik und Verwaltung mehr Druck brauchten, damit Bürgerbeteiligung in Bochum endlich den ihr zustehenden Stellenwert erhält.
Deshalb sollte zukünftig bei jedem Vorhaben Bürgerbeteiligung eingefordert werden. Und das hat 2021 ganz gut geklappt! Bei jedem Bebauungsplan, aber auch für den Klimapark Springorum in Weitmar, für die Ansiedlung von Ecosoil in Gerthe oder für die Streichung von Bädern in Höntrop und Langendreer wurde vor Ort der Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung laut.
Selbst bis zum Bauministerium in Düsseldorf hat sich – wie zuletzt auf dem Mietertag NRW bekannt geworden – herumgesprochen, dass es in Bochum bei allen Bauvorhaben aus dem Wohnbauflächenprogramm vor Ort Widerstand gab.
Und dieser Widerstand hat auch erste kleine Erfolge gebracht: „Am Ruhrort“ musste das Schallgutachten ergänzt und ein wasserwirtschaftliches Modell in Auftrag gegeben werden. „Hinter der Kiste“ wurde die Beteiligung erweitert und eine Alternative zur geplanten Bebauung geprüft. Für das „Bahnhofsquartier Wattenscheid“ und für „Gerthe-West“ sind weitere Beteiligungsformate in Aussicht gestellt. In Gerthe konnte zudem auf die Bebauungsdichte Einfluss genommen werden. An der „Charlottenstraße“ wurde der Wert der dort geschützten Eichengruppe erkannt. Bei anderen Vorhaben haben sich Bezirksvertretungen gegen die Mehrheit im Rat gestellt: Der Bezirk Südwest hat sich gegen eine weitere Verdichtung von Bärendorf und der Bezirk Nord gegen die Ansiedlung von Ecosoil ausgesprochen. Und im Bezirk Ost führen die Grünen zurzeit sogar den Widerstand gegen die Schließung des Freibades in Langendreer an.
Fast drei Jahre nach Ankündigung der Verwaltung, sich um eine interaktive Vorhabenliste zu kümmern, ist zu Weihnachten endlich eine erste Auflistung von Vorhaben online gestellt. Seit zwei Sitzungen gibt es das Rats-TV, mit dem die Sitzungen des Rats nun online verfolgt werden können.
Auch konnte das Netzwerk durch Eingaben in den kommunalen Gremien das Handeln der Verwaltung transparenter machen. Der Öffentlichkeit, aber offenbar auch weiten Teilen der Opposition wurde erst so bekannt, dass bereits früh im Jahr ein KlimaCheckTool eingekauft worden war, dieses ab Oktober in den Vorlagen der KlimaCheck auch abgebildet wird, Vorlagen in der Bauleitplanung hiervon aber ausgenommen bleiben sollen.
Insgesamt waren 2021 also durchaus erste kleine Schritte für mehr Bürgerbeteiligung und mehr Transparenz erkennbar. Aber was verspricht nun 2022?
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch hat in seinem Grußwort für Neujahr die Prioritäten bereits vorgegeben, wenn er feststellt, dass „ im letzten Jahr – trotz der Pandemie – keines der Großprojekte in unserer Stadt von den Investoren in Frage gestellt wurde,“ und gleich ankündigt, „ Bochum entwickelt sich also positiv weiter und steht weiterhin für Aufbruch.“
Da werden dann wohl auch im dritten Corona-Jahr Bürgerversammlungen – wie zuvor schon zur Charlottenstraße und zur Schloßstraße – eher durch bloße Info-Messen ersetzt werden, Hauptsache das Investorenwohl bleibt gewahrt.
Und welche Transparenz im Verwaltungshandeln ist für die breite Öffentlichkeit zu erwarten?
Die Ratsfraktionen haben sich in der Ratssitzung im Dezember 2021 zur Transparenz durch das bürgerschaftlichen Engagement des Netzwerks wie folgt positioniert:
Rot/Grün holt sich Informationen auf dem kurzen Dienstweg. Die CDU verbietet sich jede Hilfe von außen. Andere Teile aus der Opposition hingegen begrüßen die Arbeit des Netzwerks und unterstützen dessen Forderung nach einer Informationsveranstaltung für die Öffentlichkeit. Die große rot/grün/schwarze Mehrheit hingegen hat sich gegen eine gesonderte Information der Öffentlichkeit zum KlimaCheck ausgesprochen. Sitzungen der kommunalen Gremien seien öffentlich, zusätzliche Informationen seien über das Ratsinformationssystem abrufbar.
Mit dieser Positionierung hat sich die Mehrheit im Rat klar zu einer Trennung von drinnen und draußen bekannt: Im Rathaus die gewählten Vertreter*innen, die sich selbst informieren – draußen die Bürgerschaft, die zwischen den Wahlen ja nicht über alles gesondert informiert werden muss.
Bei einem derartigen Verständnis von Information und Beteiligung müssen das Netzwerk und die Betroffenen vor Ort auch 2022 Druck auf Verwaltung und Politik ausüben, wenn ein Mehr an Transparenz geschaffen und weitere kleine Schritte für mehr Bürgerbeteiligung eingeleitet werden sollen.