Mitglieder des Netzwerks für bürgernahe Stadtentwicklung sowie der Initiativen „Westenfelder Felder“, “Hinter der Kiste“, „Bahnhof Weitmar“ und „Gerthe-West – so nicht“ haben die Ratsmitglieder zu ihrer letzten Ratssitzung im ersten Corona-Jahr vor der Jahrhunderthalle empfangen. Im Verlauf des folgenden öffentlichen Sitzungsmarathons von mehr als acht Stunden hat eine Mehrheit aus SPD, Grünen und CDU die vom Netzwerk eingereichten Eingaben für mehr Bürgerbeteiligung abgelehnt.
Dabei hat Nadja Zein-Draeger bei der Begründung der Eingabe gem. § 24 GO NRW zur Änderung der Geschäftsordnung noch ausdrücklich an den Rat appelliert, nicht dem Klischee zu entsprechen, dass die Politik nach den Wahlen ihre vorher abgegebenen Versprechen vergisst. Hatten doch auf Wahlprüfstein-Fragen des Netzwerks die angefragten demokratischen Rats-Parteien sämtlich zugesichert, sich nach der Kommunalwahl im neu zusammengesetzten Rat für mehr Bürgerbeteiligung einzusetzen – siehe https://stadtentwicklung.net/wps .
Der Rat hat zwar die Netzwerk-Forderung nach Übertragung der Ratssitzungen mit dem Beschluss zum Rats-TV erfüllt. Die ebenfalls geforderte Übertragung der Sitzungen der Ausschüsse und Bezirksvertretungen wollte die rot-grün-schwarze Mehrheit aber nicht einleiten. Und das, obwohl Sebastian Pewny von den Grünen doch noch besonders hervorgehoben hat, dass die Hauptarbeit in den Fachausschüssen geleistet und dort die Ratsbeschlüsse zur Entscheidung vorbereitet würden.
Nach dem kleinen Schritt per Rats-TV hin zu mehr Bürgerbeteiligung machte die rot-grün-schwarze Mehrheit dann aber schnell zwei große Schritte zurück, indem sie die Forderung des Netzwerks ablehnte, die im Planverfahren „Gerthe-West“ bereits eingeleitete Bürgerbefragung um eine nachgeschaltete Video-Konferenz zu ergänzen.
Damit aber nicht genug – Burkart Jentsch, der neue Fraktionsvorsitzende der SPD, sprach der Verwaltung noch ein Extra Lob dafür aus, dass sie in Corona-Zeiten Bürgerbeteiligung durch niederschwellige Bürgerbefragung ersetzte.
(Rede von Nadja Zein-Draeger vor dem Rat der Stadt Bochum …)
Offenbar war der Mehrheit im Rat nicht klar, welches Signal vom Rat ausgeht, wenn die Verwaltung noch Lob dafür erhält, dass sie eine auch von anderen Initiativen – sei es in Wattenscheid, Linden oder Weitmar – als vorbildlich eingeordnete Bürgerbeteiligung in Gerthe vor die Wand fährt. Zur Akzeptanz von Verwaltungshandeln und zu Vertrauen in Politik tragen solche Entscheidungen sicherlich nicht bei.
Ist Bochum vielleicht doch noch nicht reif für echte Bürgerbeteiligung?
Dies wird sich schon im nächsten Jahr zeigen. Angesichts der auch 2021 zu erwartenden zügigen Umsetzung des „Handlungskonzepts Wohnen“ und der laut rot/grüner Koalitionsvereinbarung (KV) erst für 2022 zu erwartenden Ergebnisse einer Evaluation (KV, S.17) ist im nächsten Jahr mit einer Zunahme von Protest und Widerstand vor Ort zu rechnen. Dann können SPD und Grüne zeigen, wie ernst es ihnen mit mehr Bürgerbeteiligung für Bochum ist – sieht ihre Koalitionsvereinbarung doch vor, Bürgerbeteiligung auszubauen und den Meinungsaustausch mit allen Bürgerinnen und Bürgern zu suchen (KV, S.19).
Das Netzwerk wird dranbleiben!