Politik unterstützt parteiübergreifend Netzwerk-Forderungen: Bochum scheint reif für echte Bürgerbeteiligung!

Das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung hat sich bekanntlich zum Ziel gesetzt, frühzeitige und kontinuierliche Bürgerbeteiligung in Bochum zu etablieren. Deshalb sind auch Gespräche mit der Verwaltung und mit Fraktionen aus dem Rathaus geführt worden.

Um im Kommunalwahljahr auch für die Öffentlichkeit verwertbare Aussagen aus der Politik zu erhalten, hat das Netzwerk zum Thema Bürgerbeteiligung an im Rat vertretene Parteien Wahlprüfsteine mit 9 Fragen versandt.

Abgefragt worden ist, ob die Parteien sich im nach der Kommunalwahl im September neu zusammengesetzten Rat dafür einsetzen werden, dass

  1. ein transparentes System für frühzeitige Information und kontinuierliche Beteiligung an Vorhaben in Bochum etabliert wird,
  2. ein paritätisch von Politik, Verwaltung und Bürgerschaft besetztes Gremium (Bürgerforum/Bürgerbeirat) als Ansprechpartner, Anlaufstelle, Vermittler, Mit-Koordinator und Akteur im gesamten Beteiligungsprozess eingesetzt wird,
  3. als erster Schritt auf dem Weg zur Regel-Bürgerbeteiligung eine internetbasierte Vorhabenliste veröffentlicht wird,
  4. in dem vom Referat für Bürgerbeteiligung bereits angeregten Akteursforum der Fahrplan auf dem Weg zur Erstellung von Leitlinien für Bürgerbeteiligung gemeinsam von Verwaltung, Politik und Bürgerschaft entwickelt wird,
  5. die für den aufwendigen Prozess der Erarbeitung von Leitlinien erforderlichen Finanzmittel im kommunalen Haushalt festgeschrieben werden,
  6. auch die Finanzierung von auf eine offene und lösungsorientierte Debatte um Bürgerbeteiligung gerichteten Formaten mithilfe externer Moderation gesichert wird,
  7. über die gesetzlich vorgegebenen Beteiligungsverfahren hinausgehende Formate mit Pilotcharakter für die Dauer der Erarbeitung der Leitlinien durchgeführt werden,
  8. die Leitlinien letztendlich im Rat beschlossen und in das Bochumer Ortsrecht übernommen werden,
  9. Sitzungen von Bezirksvertretungen, Ausschüssen und Rat live per Video übertragen werden.

Die Antworten der angeschriebenen Parteien liegen nun vor – siehe https://stadtentwicklung.net/wps .
Danach finden die Forderungen des Netzwerks parteiübergreifend weitestgehende Zustimmung.

Bochum scheint also reif für echte Bürgerbeteiligung!  

Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, FDP, Soziale Liste und die Stadtgestalter wollen das Netzwerk in sämtlichen 9 Forderungen unterstützen.

Die SPD stimmt dem Netzwerk in allen Forderungen außer bei der Installation eines Bürgerforums/Bürgerbeirats zu.  Hier verlangt sie vom Netzwerk zunächst konkrete Vorschläge zur Bildung dieses Gremiums und für dessen Geschäftsordnung. Übersehen wird hier offenbar, dass nach dem Netzwerk-Konzept Politik, Verwaltung und Bürgerschaft gemeinsam die Zusammensetzung, die Bildung und die Aufgaben eines solchen Gremiums erst im Prozess zur Entwicklung der Leitlinien erarbeiten sollen.

Während sich die SPD noch nicht festlegen will, stimmt die CDU der Bildung eines solchen Gremiums zu, will aber im Vorfeld geklärt haben, an welcher Stelle die Politik eingebunden wird. Auch hier muss der Hinweis erlaubt sein, dass gerade Politik, Verwaltung und Bürgerschaft gemeinsam die Zusammensetzung, die Bildung und die Aufgaben des Bürgerforums erarbeiten sollen.

Die CDU unterstützt auch die Forderungen des Netzwerks nach

  • Schaffung eines transparenten Systems für frühzeitige Information und kontinuierliche Beteiligung an Vorhaben in Bochum sowie
  • Veröffentlichung einer internetbasierten Vorhabenliste.

Die Frage nach der Finanzierung des Prozesses der Erarbeitung der Leitlinien hat die CDU nicht beantwortet, sieht aber die Bereitstellung von Mitteln sowohl für den Prozess der Erarbeitung von Leitlinien als auch für deren Umsetzung ohnehin als Selbstverständlichkeit an.

Auch bei weiteren Fragen will die CDU eine Unterstützung zwar nicht ausdrücklich zusagen, scheint sich aber eine Unterstützung zu einem späteren Zeitpunkt offen halten zu wollen, wenn sie

  • bisher zwar eine demokratische Legitimation des angedachten Akteursforums vermisst, sich ein solches Gremium aber durchaus vorstellen kann, soweit zuvor in den politischen Gremien über die Einrichtung und Zusammensetzung eines solchen Gremiums beraten worden ist,
  • statt einer Mehrheit im Rat offenbar einen Konsens aller Parteien als Voraussetzung für die Aufnahme der Leitlinien in das Bochumer Ortsrecht verlangt,
  • sich wegen der nicht immer positiven Erfahrung mit extern moderierten Prozessen noch nicht auf Anwendung externer Moderation festlegen lassen will,
  • sich auch bei der Frage nach Durchführung von Formaten mit Pilotcharakter nicht abschließend festlegt, sich aber durchaus für eine Ausweitung der Bürgerbeteiligung über den zwingenden gesetzlichen Rahmen hinaus in den meisten Verfahren ausspricht.

Schließlich haben sich die befragten Parteien bis auf CDU und UWG/Freie Bürger mit großer Mehrheit auch für Übertragungen von Sitzungen des Rats und anderer Gremien ausgesprochen.

Die CDU hat nicht zugestimmt, will sich aber für Übertragung von Ratssitzungen einsetzen, soweit dabei die Persönlichkeitsrechte der ehrenamtlichen Ratsmitglieder gewahrt bleiben. UWG/Freie Bürger haben keine Meinung, stimmen der Forderung im Grunde zu, wollen die Entscheidung aber differenzierter betrachten.

Offenbar haben die in Corona-Zeiten üblich gewordenen Video-Konferenzen und die abgehaltenen Online-Foren die Zurückhaltung der Parteien gegenüber Live-Übertragungen aufgebrochen. Im Januar 2020 hat der Rat die Einführung eines Rats-TV nämlich noch mit knapper Mehrheit abgelehnt.

UWG/Freie Bürger bringen den Forderungen des Netzwerks noch die meisten Bedenken entgegen. Aber auch sie wollen sich ausdrücklich dafür einsetzen, dass

  • frühzeitige und kontinuierliche Beteiligung etabliert wird,
  • eine Vorhabenliste veröffentlicht wird, soweit ein 5-Jahresplan nicht überschritten wird,
  • Finanzmittel für die Erstellung von Leitlinien im Haushalt festgeschrieben werden
  • und das angedachte Akteursforum einen Fahrplan zur Erstellung von Leitlinien entwickelt.

Das Netzwerk geht deshalb davon aus, dass der nach der Kommunalwahl im September 2020 neu zusammengesetzte Rat sehr zügig parteiübergreifend die Verwaltung beauftragen wird, einen Prozess zur Erarbeitung von Leitlinien für die Implementierung eines Konzepts für echte Bürgerbeteiligung in Bochum auf Grundlage der bereits in den Wahlprüfsteinen des Netzwerks festgehaltenen einzelnen Schritte einzuleiten.

Die Politik erhält damit in Bochum die Chance, sich gemeinsam über Parteigrenzen hinweg als bürgernah zu erweisen.

Damit diese Chance nicht ungenutzt bleibt, wird sich das Netzwerk aktiv in den Wahlkampf einschalten und die mit der Beantwortung der Wahlprüfsteine bereits abgegebenen Wahlversprechen der Parteien verbreiten.