Laut der Einladungs-Pressemitteilung der Verwaltung sollen sich möglichst viele an der Planung des „Neuen Bahnhofsquartiers“ beteiligen. Dies klingt nach echter Bürger-beteiligung für Wattenscheid, erinnert gar an den Aufruf des Oberbürgermeisters in seiner Ansprache zum Jahreswechsel, mehr Demokratie durch mehr Bürgerbeteiligung zu wagen.
Wie diese Bürgerbeteiligung konkret aussehen soll, wird aber nicht verraten.
Interessierte Bürger*innen sollen die Möglichkeit erhalten, Ideen, Anregungen und Hinweise in die Planung einzubringen sowie Fragen zum Vorgehen zu klären.
Da kommen Erinnerungen an die Beteiligungsformate auf, die 2019 in Bochum bereits u.a. bei der „Bebauung am Glockengarten“, beim „ISEK-Verfahren Innenstadt“ und der Vorstellung der Entwürfe zum „Haus des Wissens“ Anwendung fanden. Dort hat sich als Mangel herausgestellt, dass zu den in kleinen Gruppen an Tischen oder Stellwänden gewonnen Einzelergebnissen eine Erörterung im Plenum nicht mehr zugelassen wurde.
Das Netzwerk fordert deshalb, dass zu Beginn der Veranstaltung in Wattenscheid gemeinsam mit den Erschienen festgelegt wird, wie dieser Beteiligungsabend konkret ablaufen soll.
Gemeinsam muss dann auch erarbeitet werden, wie die angekündigten weiteren Beteiligungsmöglichkeiten, deren Ergebnisse dann in die Arbeit mehrerer städtebaulicher Planungsbüros einfließen sollen, nach Vorstellung der erschienenen Bürger*innen aussehen könnten. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein Dialog auf Augenhöhe nicht entsteht, eine Beteiligung der Bürgerschaft an der Planung nicht erfolgt, sie nur neben dem eigentlichen Planverfahren abgewickelt wird.
Diese Befürchtungen werden durch die Vorlage der Verwaltung für die Ratssitzung am 12.03.2020, mit der das für 2020 geplante Vorgehen bei der „Baulandentwicklung Bahnhofquartier Wattenscheid“ vorgestellt und ein Ratsbeschluss über die Zusammensetzung eines Empfehlungsgremiums vorbereitet werden soll, noch bestärkt.
Beteiligung der Bürgerschaft kommt hier – wenn überhaupt – nur am Rande vor.
Die Öffentlichkeit soll zwar vor Erarbeitung der städtebaulichen Entwürfe durch insgesamt 4 Planungsteams über das geplante Vorgehen informiert werden und die Möglichkeit zur frühzeitigen Einbringung von Ideen – wohl in der Veranstaltung am 10.03.2020 – erhalten. Auch soll die Bürgerschaft während der 11-wöchigen Planungsphase im Frühjahr 2020 erneut Gelegenheit haben, Anmerkungen und Ideen vorzubringen und damit Einfluss auf die Planung zu nehmen.
Vom Empfehlungsgremium, das die Planungen begleitet und begutachtet und letztendlich aus den eingereichten städtebaulichen Entwürfen einen Entwurf pro Entwicklungsgebiet auswählen und der Politik vorschlagen wird, soll die betroffene Bürgerschaft aber ausgeschlossen bleiben. Ein Empfehlungsgremium ist auch bereits im Rahmenplanverfahren „Gerthe-West“ installiert. Dort sind allerdings auch 5 Plätze für Vertreter*innen aus der Bürgerschaft ausgewiesen, von denen einer von den Initiativen vor Ort besetzt wird.
Die Bürgerbeteiligung in Wattenscheid scheint aber auch ansonsten weit hinter dem zurück zu bleiben, was in „Gerthe-West“ bereits installiert worden ist. Die dort vorgesehenen Planungswerkstätten mit Bürgerbeteiligung erscheinen im Verfahrensablauf für Wattenscheid nicht. Eine Teilnahme der Initiative „Westenfelder Felder“ ist nicht vorgesehen. Es hat auch niemand für erforderlich gehalten, mit der Initiative vorher Kontakt aufzunehmen oder mit dieser gar ein Schlüsselpersonengespräch zu führen – so aber geschehen in „Gerthe-West“ mit den dortigen Initiativen.
Zwar wird in der Vorlage für das Bahnhofsquartier Wattenscheid eingeräumt, das Empfehlungsgremium sei im Vergleich zu dem in „Gerthe-West“ etwas kleiner gehalten. Trotz Verzichts auf Experten zu einigen Fachthemen sei dennoch sichergestellt, dass alle Interessen sowohl aus fachlicher als auch politischer Sicht in der planerischen Abwägung berücksichtigt werden und der bestmögliche Konsens erreicht werden kann.
Die Interessen der betroffenen Bürger*innen sind für die Abwägung und den angestrebten Konsens offenbar nicht von Bedeutung.
Die für Wattenscheid bisher erkennbar gewordene Beteiligung muss im Vergleich zu der in „Gerthe-West“ als 2t-klassig eingeordnet werden.
Das Netzwerk fordert, bei der Beteiligung in Wattenscheid zumindest die Kriterien zu erfüllen, die für Hiltrop/Gerthe vorgegeben worden sind. Wenn der Oberbürgermeister mehr Bürgerbeteiligung wagen will, darf seine Verwaltung bereits installierte Beteiligungsformate nicht einfach abbauen.