Erst vor einer Woche hat der Rat der Stadt Bochum für das Empfehlungsgremium im Planverfahren „Neues Bahnhofsquartier Wattenscheid“ 5 Plätze für Bürger*innen durchgesetzt und damit die Tür zu der von der betroffenen Bürgerschaft geforderten Bürgerbeteiligung geöffnet.
Nun will die Verwaltung der Stadt Bochum Planungen, die für die Stadteilentwicklung im Bezirk Süd-West große Bedeutung haben werden, in „Notstands-Gremien“ beraten und eine Woche später auch beschließen lassen.
Am 18.03.2020 soll die Bezirksvertretung Süd-West u.a. angehört werden zu den Bebauungsplänen Nr. 594 Schloßpark sowie Nr.955 Lewackerstraße und zu dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan Karl-Friedrich-Straße – besser bekannt unter „Edeka Weitmar“. Außerdem sollen ein Fragenkatalog der „Bürgergemeinschaft Bochum-Weitmar-Mark-Stiepel“ zu dem Edeka-Vorhaben und eine CDU-Anfrage zur Kompensationsmaßnahme Bahnhof Weitmar durch die Verwaltung beantwortet werden. Zu der Bebauung Schloßstraße soll die Bezirksvertretung die gesetzlich vorgesehene frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung für ein städtebauliches Konzept beschließen, das von dem Projekträger und einem von diesem beauftragten Architektenbüro gemeinsam mit der Verwaltung bereits in mehreren Werkstatterminen entwickelt worden ist und u.a. zwei fünfgeschossige Höhepunkte festlegt, die das Tor zum (Schloss-)Park bilden sollen, und die Beseitigung des südlichen Alleeteils der Schloßstraße vorsieht. Während in Wattenscheid – wie auch in Gerthe-West – die Bürgerschaft in Begleitgremien weit vor Beginn des gesetzlich geregelten Planverfahrens und in Werkstätten an der Vorplanung beteiligt wird, soll sich die Weitmarer Bürgerschaft mit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung an einem Konzept zufrieden geben, das bereits in mehreren Werkstätten gemeinsam von Verwaltung und Investor entwickelt worden ist. Die „Initiative Bahnhof Weitmar“ wird sich an die Planung ihres Vorhabens erinnert fühlen.
Allein aufgrund dieser Tagesordnungspunkte scheint die Sitzung geeignet, nicht nur Mitglieder mehrerer Initiativen, sondern auch weitere Interessierte aus der Weitmarer Bürgerschaft anzuziehen. Die Sitzung des Planungsausschusses in der nächsten Woche mit Beschlussfassungen zu den 3 Bebauungsplänen und zudem nochmals mit der Beantwortung des Fragenkatalogs zu der Edeka-Neuansiedlung dürfte bereits wegen der Themen aus dem Süd-Westen nicht weniger Interessenten anziehen.
In Zeiten von Carona ist für Großveranstaltungen aber nun einmal – zu Recht – kein Raum. Was läge da näher, als die Sitzungen der Bezirksvertretung und des Planungsausschusses abzusetzen oder die Tagesordnung zumindest nach der Bedeutung der Themen für die betroffene Bürgerschaft auszudünnen.
Die Verwaltung will diese Termine – wie offenbar auch Termine weiterer Ausschüsse – aber unbedingt halten. Deshalb sollen Notstand-Gremien die erforderlichen Entscheidungen treffen. Hieran teilnehmen sollen von jeder Fraktion jeweils nur ein Mitglied. Die Öffentlichkeit soll weitgehend ausgeschlossen bleiben. Die Bezirksverwaltungsstelle sprach gestern von ca. 12 Plätzen für die Öffentlichkeit. Auch im Planungsausschuss sollen aus jeder Fraktion jeweils nur 1 Mitglied an der Sitzung in der nächsten Woche teilnehmen.
Unabhängig von der Frage, ob derart reduzierte Gremien mit weniger als die Hälfte der Mitglieder überhaupt beschlussfähig sind und noch als durch die letzte Kommunalwahl legitimiert angesehen werden können, verbieten sie sich aus der Notlage selbst.
Bezirksbürgermeister Gräf hat bereits letzte Woche die Einzelgespräche in seinen Bürgersprechtagen bis einschließlich April abgesagt. Oberbürgermeister Eiskirch fordert alle zur Solidarität durch Beschränkung sozialer Kontakte auf das Notwendigste auf.
Die Menschen werden bundesweit angehalten, sich quasi auf ihre 4 Wände zu beschränken. In Bochum soll sich die Politik in Notstands-Gremien zusammenfinden, um unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit zu umstrittenen Vorhaben Entscheidungen zu treffen, die für die betroffene Bürgerschaft auch noch in einmal hoffentlich Corona-freien Zeiten noch von großer Tragweite seien werden.
Entscheidungen in derartigen Notstands-Gremien müssen deshalb als undemokratisch und der ausgerufenen Sicherheitslage nicht angemessen angesehen werden. Wenn sie zu nicht aufschiebbaren Punkten durchgeführt werden, sollten die Möglichkeiten unseres digitalen Zeitalters genutzt werden. Überall werden zurzeit Internet-Konferenzen abgehalten. Zu kommunalen Internet-Konferenzen könnte der interessierten Bürgerschaft eine Zuschaltmöglichkeit eingeräumt werden. Werden die Termine wie geplant durchgeführt, laufen die Verantwortlichen Gefahr, sich dem Vorwurf auszusetzen, eine „Notlage“ ausgenutzt zu haben, um umstrittene Vorhaben nahezu ohne Öffentlichkeit entschieden zu haben.